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Voraussetzung für Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung ist immer das Vorliegen einer Krankheit. Hierunter ist ein regelwidriger körperlicher, seelischer oder geistiger Zustand zu verstehen, der ärztlicher Behandlung bedarf oder Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Regelwidrig ist insofern ein Zustand, der von der Norm vom Leitbild des gesunden Menschen abweicht. SchönheitsoperationenDiese Definition hat besonders bei Schönheitsoperationen praktische Bedeutung. Versicherte haben grundsätzlich keinen Anspruch, einen im Normbereich liegenden Körperszustand zu verändern. Wenn durch eine entsprechende Abweichung jedoch keine Körperfunktion, sondern nur das Aussehen des Menschen beeinträchtigt wird, muss eine entstellende Wirkung vorliegen, um als Krankheit eine Leistungspflicht der Krankenkasse auszulösen. Ein regelwidriger Körperzustand ohne entstellende Wirkung und ohne wesentliche Funktionseinschränkung ist auch dann nicht als Krankheit zu werten, wenn er eine psychische Belastung für den Betroffenen darstellt, die ihrerseits zu einer behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankung geführt hat. Eingriffe am gesunden Körper betreffen selbst dann nicht das von der Krankenversicherung abzudecke Krankheitsrisiko, wenn in mittelbarer Folge positive Auswirkungen auf den Seelenzustand zu erwarten sind. Das gilt auch dann, wenn Versicherte auf die gewünschte Änderung derart fixiert sind, dass hieraus bereits eine psychische Erkrankung folgt. Insoweit besteht nur eine Leistungspflicht der Krankenkasse zur Gewährung notwendiger psychiatrischer oder psychotherapeutischer Behandlungen. Auch eine Brustasymmetrie ist erst dann eine Krankheit in diesem Sinne, wenn sie einen Krankheitswert erreicht, der nicht schon in jeder körperlichen Unregelmäßigkeit begründet ist. Erforderlich ist, dass die Versicherte in ihren Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder sie an einer entstellenden Abweichung vom Regelfall leidet. Eine Entstellung besteht, wenn Versicherte objektiv an einer körperlichen Auffälligkeit von so beachtlicher Erheblichkeit leiden, dass sie die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gefährdet. Das Ausmaß ist nicht erreicht, wenn sich die Asymmetrie der Brüste durch eine Prothese verdecken lässt, die auch unter einem Badeanzug getragen werden kann. MagenbandDie Kostenübernahme für eine Magen verkleinernde Operation (Gastric-Banding) kommt dann in Betracht, wenn extremem Übergewicht nicht auf andere zumutbare Weise begegnet werden kann. Ernährungsbedingtes Übergewicht für sich allein stellt noch keine behandlungsbedürftige Krankheit dar. Regelmäßig liegt nur eine Maßnahme der Gesundheitsförderung vor, die in den Verantwortungsbereich des Versicherten fällt, solange es trotz des erheblichen Übergewichts noch nicht zu typischen Folgeerkrankungen wie beispielsweise Bluthochdruck oder Diabetes gekommen ist. Etwas anderes gilt bei starkem Übergewicht (im Allgemeinen ab einem Body-Maß-Index - BMI 30), wenn eine Behandlung mit dem Ziel der Gewichtsreduktion erforderlich ist, weil anderenfalls ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von der Begleit- und Folgeerkrankungen besteht oder bereits Folgeerkrankungen aufgetreten sind. Entstellung von Erwachsenen - Bodyliftoperation zur Entfernung überflüssiger HautfaltenEs besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Übernahme von Kosten für eine Bodyliftoperation zur Entfernung überflüssiger Hautfalten, die infolge einer extremen Gewichtsabnahme aufgetreten sind. Ein solcher Anspruch entsteht aber dann, wenn mit der Faltenbildung eine behandlungsbedürftige Krankheit entsteht. Solch eine körperliche Anomalität mit Krankheitswert liegt vor, wenn hierdurch dauerhaft nicht behandelbare Hautentzündungen resultieren oder der Hautüberschuss zu einer schweren körperlichen Entstellung führt. Eine solche liegt aber erst vor, wenn man beim flüchtigen Anblick des Versicherten Erschrecken, Abscheu oder eine anhaltende Abneigung empfinden könnte. Das gilt seit einem Urteil des BSG auch in unbekleideten Zustand. Hiervon wird ausgegangen, wenn die körperlichen Veränderungen ständig dem Blick der Allgemeinheit ausgesetzt sein können und infolgedessen eine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft erschwert oder unmöglich gemacht wird. Die Auffälligkeit muss erheblich sein, die naheliegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier oder Betroffenheit auslöst und damit zugleich erwarten lässt, dass der Betroffene ständig viele Blicke auf sich zieht, zum Objekt besonderer Beachtung anderer wird und sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzuziehen und zu vereinsamen droht. Hierbei kommt es auf den bekleideten Zustand an. Die körperliche Ausprägung muss quasi "im Vorbeigehen" bemerkbar sein. Entstellung von JugendlichenDiese Grundsätze sind nicht uneingeschränkt auf Jugendliche zu übertragen. So hat das LSG Schleswig-Holstein im Fall einer pubertierenden Klägerin mit immer weiter zunehmender Mama-Asymmetrie die Krankenkasse zur Zahlung der Korrekturoperation verurteilt. Begründet wurde dies mit der Teilnahme am schulischen Sport- und Schwimmunterricht sowie Auswirkungen auf das Sexualleben. Dies sei Ausfluss des Rechtsgedankens, den das Bundessozialgericht bei Jugendlichen entwickelt hat, das auf die besonderen Grundbedürfnisse von Jugendlichen in der Entwicklungsphase abstellt und die Notwendigkeit der Integration im Kreise Gleichaltriger hervorhebt. Daher stellt das Bundessozialgericht bei Jugendlichen nicht ausschließlich auf den bekleideten Zustand ab. Krankheit des ArbeitnehmersSie hat dann die Arbeitsunfähigkeit zur Folge, wenn der Arbeitnehmer unfähig ist, seine ihm vertragsgemäß obliegende Arbeit zu erledigen. Er darf also nicht oder nur unter Gefahr einer Verschlimmerung seines Gesundheitszustandes in der Lage sein, seiner bisherigen Erwerbstätigkeit nachzugehen, oder wenn ihm ärztlicherseits die Enthaltung von der Arbeit zur Vermeidung eines Rückfalls oder zur Verfestigung eines pathologischen Gesundheitszustands empfohlen wird. Die Arbeitsunfähigkeit ist nicht identisch mit der Erwerbsminderung im Sinne der Rentenversicherung. |
Weil sie die Höhe der Zuzahlungen bei ihrer Krankenkasse nicht akzeptieren wollte, ist eine Rentnerin bis vor das BVerfG gezogen. Die rechtlichen Erwägungen der Vorinstanzen zur Ermittlung der Belastungsgrenze entbehrten "jeder nachvollziehbaren Grundlage". Der Fall wird enu verhandelt.
BVerfG, Urteil vom 22.09.2023 - 1 BvR 422/23
Die Frau wohnt in einem Pflegeheim. Von ihrer Altersrente geht das meiste für den Eigenanteil an den Heimkosten drauf. Den Rest der Heimkosten übernimmt ihr Sozialhilfeträger. Bei ihrer Krankenkasse beantragte die Rentnerin eine Begrenzung ihrer Zuzahlungen, die gesetzlich Versicherte für manche Leistungen erbringen müssen und die in der Regel auf eine Belastung von 2% des jährlichen Bruttoeinkommens begrenzt sind. Für Sozialhilfeempfänger gilt ein niedriger Pauschalbetrag von etwas über € 40,00.
Die Krankenkasse und das Sozialgericht hielten die Ausnahmevorschrift für Sozialhilfeempfänger bei der Klägerin jedoch nicht für anwendbar und setzten stattdessen eine anhand der Renteneinkünfte ermittelte Belastungsgrenze von knapp € 132,00 fest. Das SG argumentierte, dass die Versicherte zwar Hilfe zur Pflege nach § 61 SGB XII beziehe, es sich dabei aber nicht um eine Kostenübernahme im Sinn der Ausnahmevorschrift des § 62 Abs. 2 S. 5 Nr. 2 SGB V handele. Diese fordere eine Kostenübernahme für Unterkunft und Verpflegung nach den Regeln der Hilfe zum Lebensunterhalt gemäß §§ 27 ff. SGB XII, die unstreitig nicht vorliegt. Die Frau gab nicht auf und zog vor das Bundesverfassungsgericht - mit Erfolg.
Auslegung des SG mit Wortlaut und Systematik nicht vereinbar
Laut BVerfG verletzt der Gerichtsbescheid des SG das Willkürverbot nach Art. 3 Abs. 1 GG (Beschluss vom 22.09.2023 - 1 BvR 422/23). Die Annahme, eine Kostenübernahme für die Unterbringung in einem Heim im Sinn des § 62 Abs. 2 S. 5 Nr. 2 SGB V setze die Kostenübernahme für Unterkunft und Verpflegung nach §§ 27 ff. SGB XII voraus, entbehre "jeder nachvollziehbaren Grundlage". Eine derartige Auslegung der Vorschrift sei weder mit ihrem eindeutigem Wortlaut noch mit ihrer Systematik vereinbar. Die Regelung verlange lediglich die Kostentragung der Unterbringung des Versicherten in einem Heim oder einer anderen Einrichtung durch den Sozialhilfeträger und gerade keine Leistungen für Unterkunft und Verpflegung nach §§ 27 ff. SGB XII.
Der Satz, dass eine operative Magenverkleinerung nur das letzte Mittel ("ultima ratio") sein darf, bedeutet nicht zwingend, dass zuvor alle anderen Therapiemöglichkeiten tatsächlich ausgeschöpft worden sein müssen. Entscheidend ist allein, dass der Eingriff medizinisch erforderlich und den anderen Optionen eindeutig überlegen ist.
BSG, Urteil vom 22.06.2022 - B 1 KR 19/21 R
Eine operative Magenverkleinerung bei Fettleibigkeit darf nur die ultima ratio sein. Allerdings stellte das Gericht klar: Es ist nicht zwingend, dass sämtliche andere Therapieoptionen zuvor tatsächlich ausgeschöpft sind. Die voraussichtlichen Ergebnisse der Operation am gesunden Organ müssten den zu erwartenden Resultaten anderer Behandlungsmöglichkeiten eindeutig überlegen sein.
OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 29.06.2022 - 7 U 140/21
Bei einer schnell fortschreitenden und lebenszerstörenden Erkrankung muss auch auf neuartige Behandlungsformen zugegriffen werden können, sofern sich im maßgeblichen Zeitpunkt der Durchführung der Therapie eine gegenüber einem schulmedizinischen Ansatz potentiell bessere Eignung aus einem fundierten wissenschaftlichen Ansatz ergibt.
Eine lebenszerstörend und unheilbar an einem Tumor erkrankte Person hat nach einer gescheiterten Chemotherapie (schulmedizinische Erstlinientherapie) einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine neuartige wissenschaftlich fundierte Alternativtherapie. Sie muss sich nicht auf eine Zweitlinientherapie mit prognostisch noch geringerer Wirksamkeit verweisen lassen, sondern kann unmittelbar die Übernahme der Kosten der neuartigen Therapie verlangen, wenn diese im Zeitpunkt der Behandlung die nicht ganz entfernte Aussicht begründet, einen über die palliative Standardtherapie hinausreichenden Erfolg zu erbringen.
Nach den in den privaten Krankenversicherungsvertrag einbezogenen Bedingungen leistet der Versicherer, "im vertraglichen Umfang für Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden und Arzneimittel, die von der Schulmedizin überwiegend anerkannt sind. Er leistet darüber hinaus für Methoden und Arzneimittel, die sich in der Praxis als ebenso Erfolg versprechend bewährt haben oder die angewandt werden, weil keine schulmedizinischen Methoden oder Arzneimittel zur Verfügung stehen...".
Der Kläger litt an einem nicht operablen Tumor der Bauchspeicheldrüse, der Anfang 2018 zunächst mit einer Chemotherapie behandelt worden war. Auch nach dieser Behandlung wurde der Tumor als nicht operabel eingestuft. Es erfolgte eine Behandlung im Rahmen einer kombinierten Immuntherapie mit dendritischen Zellen.
Diese dendritische Zelltherapie stellt eine Heilbehandlung im Sinne der Krankheitskostenbedingungen (MB/KK 2009) der privaten Krankenversicherungen dar. Diese Heilbehandlung war auch medizinisch notwendig. Da hier eine schulmedizinische Erstlinientherapie versucht worden sei, die keinen Behandlungserfolg erbracht habe, habe unmittelbar auf den "neuartige(n) wissenschaftlich fundierte(n) Ansatz der Alternativtherapie zurückgegriffen" werden dürfen.
Dazu gehört auch, dass ein Rollstuhlfahrer Anspruch auf eine teure elektrische Unterstützung für seine Fortbewegung hat. Er muss sich nicht auf einen für ihn rein passiven Elektrorollstuhl verweisen lassen.
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen Urteil vom 13. September 2022 – Az. L 16 KR 421/21
Der 49-jährige, querschnittsgelähmte Mann nutzte bislang einen Aktivrollstuhl nebst mechanischem Zuggerät (Handbike). Weil seine Kräfte nachließen, und wegen zunehmender Schulterbeschwerden beantragte er bei seiner Krankenkasse ein elektrisch unterstütztes Zuggerät.
Die Krankenkasse lehnte den Antrag ab. Sie bot ihm stattdessen einen Elektrorollstuhl an. Sie führte noch aus, dass zwar ein elektrisch unterstütztes Zuggerät wünschenswert, hilfreich und sinnvoll sein möge. Es stelle aber eine nicht notwendige Überversorgung dar, weil die Basismobilität auch mit einem rein elektrischen Hilfsmittel gesichert werden könne, das nur etwa die Hälfte koste.
Das Angebot lehnte der Mann ab. Eine rein passive Fortbewegung sei für ihn keine adäquate Alternative. Selbst der Medizinische Dienst habe einen Elektrorollstuhl in seinem Falle als „Zumutung" bewertet.
Das Landessozialgericht verpflichtete die Krankenkasse zur Kostenübernahme. Ein querschnittsgelähmter Versicherter kann nicht gegen seinen Willen auf einen rein passiven Elektrorollstuhl zur Erschließung des Nahbereichs verwiesen werden, wenn eine elektrische Unterstützung ausreicht. So leiste der Betroffene noch einen eigenen Anteil an seiner Fortbewegung.
Schließlich gibt es eine grundrechtsorientierte Auslegung, den Teilhabezielen des SGB IX und der UN-Behindertenrechtskonvention weiten Raum zu verschaffen. Daraus folgt die volle Wirkung des Wunsch- und Wahlrechts des behinderten Menschen. Die Leistung muss dem Berechtigten viel Raum zur eigenverantwortlichen Gestaltung der Lebensumstände lassen und die Selbstbestimmung fördern.
Klingt die Stimme einer Frau nach einer Geschlechtsanpassung von Mann zu Frau immer noch sehr männlich, kann eine stimmerhöhende Operation medizinisch erforderlich sein. Damit soll, so das SG Augsburg, eine deutliche Annäherung an das weibliche Geschlecht erreicht werden.
SG Augsburg, Urteil vom 16.03.2023 - Az.S 12 KR 462/21
"Ein weiterer notwendiger Baustein zur Geschlechtsangleichung bei der Klägerin."
Das Problem lag eindeutig in der Stimmhöhe. Die normale Sprechstimme der Frau befand das Sozialgericht als relativ tief, selbst für einen Mann. Dies wurde deutlich, als die Klägerin zu Beginn der mündlichen Verhandlung nur wenige Worte einwarf, und ihre Stimme dabei deutlich tiefer als beim späteren längeren Sprechen und Vorlesen lag.
Auch der Gerichtsgutachter hat bestätigt, dass die Stimmhöhe von ihm als nicht geschlechtskongruent wahrgenommen wurde. Eine Sprachtherapie verheiße auch keine Besserung. Das Gericht stimmte einer Stimmbandoperation auch deshalb zu, weil ein anhaltender psychischer Leidensdruck wegen des immer wieder beim Sprechen vorkommenden, "ungewollten Outings als Mann" vorhanden sei.
In der gesetzlichen Krankenversicherung gilt das Sachleistungsprinzip. Werden ärztliche Leistungen vom Versicherten selbst finanziert, besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Kostenersatz. Ein solcher Anspruch besteht nur in sehr engen rechtlichen Grenzen. Voraussetzung für Kassenleistungen ist immer eine Krankheit (Leistungsfall). Die Krankenkasse erbringt grundsätzlich Leistungen zur Verhütung von Krankheiten (Prävention, Vorsorgeleistungen, Vorsorge für Mütter), Früherkennung von Krankheiten (Untersuchungen), bei Krankheit als Krankenbehandlung (auch künstliche Befruchtung, Zweitmeinung, Kieferorthopädie, Heil-und Hilfsmittel, häusliche Krankenpflege, Sozialtherapie, Palliativversorgung, Haushaltshilfe, Krankenhausbehandlung einschließlich Hospizleistungen, Rehabilitation und Kuren, sozialpädiatrische Leistungen) und Krankengeld.
Neben Reihenuntersuchungen in Kindergarten und Schulen können sich Kinder und Jugendliche zwischen dem sechsten und 18. Lebensjahr zur Verhütung von Zahnerkrankungen einmal pro Jahr zahnärztlich untersuchen lassen. Die regelmäßige Untersuchung wird in einem Bonusheft festgehalten und wird mit vergünstigten Zuzahlungen honoriert, wenn trotzdem Zahnersatz erforderlich wird.
Es besteht ein gesetzlicher Anspruch auf erforderliche Vorsorgeleistungen in einer Einrichtung des Müttergenesungswerks oder einer gleichartigen Einrichtung, wenn dies aus medizinischen Gründen notwendig ist.
Versicherte haben Anspruch auf ärztliche Behandlung und Hilfsmittel, wenn sie
Versicherte haben Anspruch auf ärztliche Beratung über Fragen der Empfängnisregelung. Dazu gehören auch erforderliche Untersuchungen und die Verordnung von Empfängnisverhütungsmitteln. Die Kosten dieser Mittel trägt die Krankenkasse bis zum 20. Lebensjahr.
Sie haben Anspruch auf Vorsorgeuntersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten, die ihre körperliche und geistige Entwicklung in nicht geringfügigem Maße gefährden.
Frauen haben ab dem 20. Lebensjahr und Männer ab dem 45. Lebensjahr Anspruch auf Untersuchungen zur Früherkennung von Krebserkrankungen. Entsprechende Untersuchungen können einmal jährlich auf Kosten der Krankenkasse durchgeführt werden. Eingeschlossen sind hierbei auch die Kosten für eine Darmspiegelung zur Früherkennung von Darmkrebs.
Ab dem 35. Lebensjahr besteht in jedem zweiten Jahr ein Anspruch auf eine ärztliche Gesundheitsuntersuchung zur Früherkennung von Krankheiten, insbesondere zur Früherkennung von Herz-, Kreislauf- und Nierenerkrankungen sowie Diabetes.
Die Gerichte müssen genau aufklären, ob die Klägerinnen einen Anspruch gegen ihre Krankenkasse auf Erstattung so genannter "Potentialleistungen" (hier Unterhaut-Fettabsaugung) haben. Das sind solche, die vom Gemaeinsamen Bundesausschuss (G-BA) noch nicht offiziell anerkannt sind, aber das Potential zu einer erforderlichen Behandlungsalternative haben.
BSG, Urteil vom 18.08.2022 - B 1 KR 29/21 R
Gemäß § 137c SGB V können Potentialleistungen von Kassenpatienten beansprucht werden, wenn sie das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten. Das BSG hat jetzt die Klagen von zwei Patientinnen an die LSG Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg zurückverwiesen, weil die Vorinstanzen sich noch an der von den Kasseler Kollegen im März 2021 aufgegebenen Rechtsprechung zu § 137c(3) SGB V orientierten.
Das BSG hat dabei seine Rechtsprechung geändert und folgende drei Voraussetzungen aufgestellt.
Dies entschied das Bundessozialgericht (BSG) und lehnte die Anwendung von § 59 S. 2 SGB I in diesen Fällen ab.
BSG, Urteil vom 25.06.2024 - Az. B 1 KR 39/22 R
Ein gesetzlich versicherter Mann zahlte seine medizinischen Behandlungen selbst und ließ sich später die Kosten erstatten. 2019 wurde er im Krankenhaus behandelt und verstarb dort. Seine Krankenkasse informierte ihn, dass die Kostenerstattung im stationären Bereich nur 30% der Fallpauschalen abdeckt. Seine Erbin beantragte die Erstattung der Kosten von rund 24.000 Euro, was die Krankenkasse ablehnte. Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg gab der Klage in Höhe von rund 7.000 Euro statt, und das BSG bestätigte diese Entscheidung (Urteil vom 25.06.2024 – 1 B KR 39/22 R).
Das BSG widersprach der Ansicht der Krankenkasse, dass Ansprüche auf Geldleistungen nach § 13 Abs. 2 SGB V mit dem Tod des Versicherten erlöschen würden. Laut BSG gehen diese Ansprüche gemäß § 1922 Abs. 1 BGB auf die Erben über. Selbst noch nicht fällige Erstattungsansprüche zum Zeitpunkt des Todes seien bereits als Anwartschaften vererbbar.
Das BSG argumentierte mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz: Es dürfe keine willkürliche Ungleichbehandlung zwischen Versicherten geben, die sich für die Kostenerstattung entschieden haben, und denen, die Sachleistungen beanspruchen. Der Leistungserbringer erwirbt mit der medizinischen Behandlung seinen Vergütungsanspruch, unabhängig davon, ob gegenüber der Krankenkasse oder dem Versicherten. Der Tod vor Rechnungstellung oder Begleichung dürfe den Kostenerstattungsanspruch nicht beeinflussen.
Die §§ 56, 58, 59 SGB I dürfen laut BSG auf die Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 SGB V keine Anwendung finden. Ein Ausschluss der Rechtsnachfolge wäre ein unzulässiger Eingriff in eine bereits erworbene Rechtsposition, und die genannten Paragraphen bieten dafür keine ausreichende Grundlage.
Das Sozialgericht Speyer hat einer Brustkrebspatientin einen Anspruch auf die neue Operationsmethode des sogenannten Lipofilling zugestanden. Bei diesem Verfahren wird die Brust nicht mit einem Silikonimplantat wiederaufgebaut, sondern mit Eigenfett aus anderen Körperregionen.
SG Speyer, Urteil vom 19.01.2023 - S 17 KR 408/21
Brustaufbau mit Silikonimplantaten scheiterte wiederholt
Einer an Brustkrebs erkrankten Frau war zur Behandlung der Tumore die Brust entfernt worden. Mehrere Rekonstruktionsversuche verliefen erfolglos. Die eingesetzten Silikonimplantate mussten wegen einer Kapselfibrose wieder entfernt werden. Es verblieb eine Asymmetrie der Brüste. Die Krankenkasse lehnte ein Lipofilling als Korrekturoperation ab. Es handele sich dabei um eine nicht anerkannte Behandlungsmethode, bei der es durch absterbende Fettzellen zu Ölzysten, Verkalkungen und schmerzhaften Verhärtungen kommen könne. Darüber hinaus erhöhe diese Methode das Risiko für eine erneute Krebserkrankung. Dem hielt die Frau entgegen, dass es für sie aufgrund der zahlreichen, erfolglos durchgeführten Wiederaufbauversuche keine alternative Behandlungsmethode zum Lipofilling gebe.
SG bejaht Leistungspflicht der Krankenkasse
Das SG hat entschieden, dass eine Leistungspflicht der Krankenkasse für ein stationäres Lipofilling besteht. Diese neue Rekonstruktionsmethode sei weniger invasiv als die herkömmlichen Operationsverfahren. Asymmetrien könnten besonders gut kompensiert werden. Klassische Brustrekonstruktionen seien vorliegend keine geeigneten Therapieoptionen. Gegen das Lipofilling spreche auch nicht, dass das Risiko für eine erneute Krebserkrankung erhöht werden könnte. Es falle in den Verantwortungsbereich des Behandlers, über entsprechende Risiken aufzuklären.
Das Sozialgericht Detmold hat entschieden, dass gesetzliche Krankenkassen die Kosten für Therapiestühle im Kindergarten tragen müssen.
SG Detmold, Urteil vom 05.09.2023 - Az. 16 KR 78/23
Im entschiedenen Fall benötigte ein Kind mit spinaler Muskelatrophie einen zweiten Therapiestuhl für den Kindergartenbesuch. Obwohl die Krankenkasse bereits einen Stuhl für den häuslichen Bereich bewilligt hatte, lehnte sie die Kostenübernahme für den zweiten Stuhl ab.
Der Träger der Eingliederungshilfe bewilligte jedoch den Stuhl und forderte die Krankenkasse zur Kostenerstattung auf. Die Krankenkasse verweigerte dies, doch das Gericht urteilte zugunsten des Kindes. Es betonte, dass der Kindergartenbesuch Teil der Schulfähigkeit sei und somit ein grundlegendes Bedürfnis darstelle. Ohne den zweiten Therapiestuhl wäre eine gleichberechtigte Teilhabe am Kindergartenleben nicht möglich gewesen, weshalb die Krankenkasse für die Kostenübernahme verantwortlich sei.
Diese Entscheidung unterstreicht die Bedeutung einer umfassenden medizinischen Versorgung und Unterstützung für Kinder mit besonderen Bedürfnissen. Sie zeigt auch die Notwendigkeit klarer rechtlicher Rahmenbedingungen, um sicherzustellen, dass die Bedürfnisse dieser Kinder angemessen berücksichtigt werden.
Bei der gesetzlichen Krankenversicherung handelt es sich um eine öffentlich rechtliche Zwangsversicherung, die - abgesehen von Fällen der freiwilligen Versicherung oder der Befreiung von der Versicherungspflicht - unabhängig vom Willen der Person eintritt oder endet. Zwischen den Krankenkassen können die Bürger frei wählen. Grundsätzlich ist jeder krankenversichert. Eine Kündigung der Krankenversicherung kann nur erfolgen, wenn eine andere Krankenversicherung nachgewiesen wird. Selbstständige sind von der Versicherungspflicht befreit. Nur noch selbstständige Landwirte und Künstler unterliegen der Versicherungspflicht. Für die Versicherungsfreiheit ist erforderlich, dass die selbstständige Tätigkeit hauptberuflich ausgeübt wird. Dies beurteilt sich danach, welcher Zeitaufwand mit der selbstständigen Tätigkeit im Vergleich zu einer Nebentätigkeit verbunden ist, in welchem Verhältnis die Einkünfte aus der selbstständigen Tätigkeit zu anderen Einkünften stehen, ob Arbeitnehmer beschäftigt werden oder sonstige Gesichtspunkte erkennbar sind, nach denen die Abgrenzung vorgenommen werden kann. Arbeiter und Angestellte sind versicherungsfrei, wenn deren regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze übersteigt. Wird sie überschritten, endet die Versicherungspflicht in dem Jahr, in dem die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten wird, wenn dies auch im Folgejahr prognostiziert werden kann. Versicherungsfrei sind Beamte, Richter, Soldaten und solche Beamte im Ruhestand, deren Pension eine bestimmte Größenordnung erreicht. Versicherungsfrei sind auch Mitglieder geistlicher Genossenschaften und Diakonissen sowie Personen, die nach europarechtlichen Vorschriften krankenversichert sind. Die Rückkehr in die gesetzliche Krankenversicherung wird im Alter dadurch erschwert, dass auch Personen ab dem 55. Lebensjahr versicherungsfrei sind, wenn sie in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Versicherungspflicht nicht gesetzlich versichert waren. Personen können nur unter den engen Voraussetzungen des § 9 SGB V der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig beitreten. Der Kreis ist auf solche Personen beschränkt, die aus der Versicherungspflicht ausscheiden, deren Familienversicherung erlischt oder deren Mitgliedschaft durch Beschäftigung außerhalb des Geltungsbereichs des SGB endet. Diese Personen erhalten auf Antrag ihre Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung. Besondere Bestimmungen gelten außerdem für Schwerbehinderte. Regelmäßige Voraussetzung ist, dass in den letzten fünf Jahren vor dem Ausscheiden mindestens zwei Jahre oder unmittelbar vor dem Ausscheiden ununterbrochen ein Jahr lang Sozialversicherungsbeiträge gezahlt wurden. Der Beitritt zur gesetzlichen Krankenversicherung muss innerhalb von drei Monaten angezeigt werden. Hier bestehen nur enge Ausnahmen. Der Wiedereintritt von Personen, die vorher familienversichert waren, erfolgt automatisch. Ein Austritt muss innerhalb von zwei Wochen nach Hinweis der Krankenkasse über bestehende Austrittsmöglichkeiten erklärt werden. |
Versicherte haben Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung behandelt werden. |
Das Bundessozialgericht (BSG) hat entschieden, dass eine gesetzliche Krankenkasse auch dann Krankengeld zahlen muss, wenn die Krankschreibung verspätet eingereicht wird.
BSG, Urteil vom 30.11.2023 - Az. KR 23/22 R
Seit 2021 sind Vertragsarztpraxen verpflichtet, die Arbeitsunfähigkeit elektronisch an die Krankenkassen zu melden. Im vorliegenden Fall wurde einem Versicherten die Arbeitsunfähigkeit lückenlos für den Zeitraum vom 11.5. bis 21.7.2021 attestiert, die Krankenkasse erhielt die Bescheinigungen jedoch erst nach Ablauf dieses Zeitraums. Die Krankenkasse verweigerte daraufhin die Krankengeldzahlung mit der Begründung, die Meldung sei nicht rechtzeitig erfolgt und sei die "Obliegenheit des Versicherten".
Das BSG urteilte jedoch anders und entschied, dass der Anspruch auf Krankengeld nicht ruhte. Die Meldepflicht des Versicherten sei seit 2021 entfallen, da die Vertragsarztpraxen die Arbeitsunfähigkeit elektronisch melden müssen. Die Verzögerung bei der Übermittlung der Bescheinigungen gehe somit nicht zu Lasten des Versicherten.
Die Tatsache, dass nicht alle Arztpraxen im streitigen Zeitraum in der Lage waren, die Daten elektronisch zu übermitteln, ändere nichts an dieser Entscheidung des BSG. Der Schutzzweck der Meldung der Arbeitsunfähigkeit an die Krankenkasse, nämlich eine zeitnahe Nachprüfung der Anspruchsvoraussetzungen zu ermöglichen, werde dadurch nicht beeinträchtigt.
… Arztpraxis technisch noch nicht in der Lage war, die Arbeitsunfähigkeitsdaten elektronisch an die Versicherung zu übermitteln.
Die verspätete Einführung der elektronischen Meldung von Krankschreibungen geht nicht zu Lasten der Versicherten.
Sozialgericht Dresden, Urteil vom 19.01.2021 - S 45 KR 575/21 -
Die Krankenkasse hatte die Zahlung für einzelne Zeiträume abgelehnt, in denen sie im Januar 2021 erst nach Ablauf einer Woche von der Versicherten über die weiteren Krankschreibungen informiert worden war (sog. Meldeobliegenheit). Seit Jahresbeginn 2021 müssen Ärzte Arbeitsunfähigkeitsdaten elektronisch an die Krankenversicherungen übermitteln. Seitdem sind gesetzlich Krankenversicherte nicht mehr selbst für die Weitergabe der "Krankenscheine" an die Krankenkasse verantwortlich.
Die Arztpraxis war zu dieser Zeit aber technisch noch nicht in der Lage, die Arbeitsunfähigkeitsdaten elektronisch an die Versicherung zu übermitteln. Die verspätete Umsetzung der automatischen, elektronischen Meldung geht nicht zulasten der Versicherten. Ob den Versicherten die Schwierigkeiten bei der Umsetzung der neuen Rechtslage bekannt waren, spielt für die Krankengeldansprüche keine entscheidende Rolle.
Sollte die Krankenkasse Sie auffordern, innerhalb einer Frist von zehn Wochen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben zu stellen, ist höchste Achtsamkeit geboten. Bitte machen Sie sofort einen Termin! Die Krankenkasse kann Sie hierzu auffordern, wenn die Erwerbsfähigkeit nach einem ärztlichen Gutachten erheblich gefährdet oder gemindert ist. Das Ziel der Krankenkasse ist, so die Zahlung von Krankengeld zu vermeiden und Sie in die Erwerbsminderungsrente abzudrängen. Folge des Antrags auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ist nämlich gemäß § 116(2) SGB VI, dass dieser Antrag als Antrag auf Rente gilt, wenn Versicherte vermindert erwerbsfähig sind und die Rehabilitation entweder keinen Erfolg im Wege einer Prognoseentscheidung erwarten lässt oder die Rehabilitation tatsächlich gescheitert ist und Erwerbsfähigkeit nicht wiederhergestellt werden konnte. Die Erwerbsminderungsrente ist statistisch gesehen wesentlich niedriger als das Krankengeld. Außerdem führt die Erwerbsminderungsrente oft zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Wenn dort günstige Regelungen im Krankheitsfall für den Arbeitnehmer geregelt sind, entfallen die Ansprüche hierauf zusätzlich. So wehren wir das ab:Widerspruch und Klage haben keine aufschiebende Wirkung. Sie müssen also an der Rehabilitation teilnehmen und den Antrag stellen. Allerdings tritt dann ein Schwebezustand ein. Stellt sich im Nachhinein die Aufforderung der Versicherung als rechtswidrig dar, werden die Folgen insbesondere des Antrags auf Rehabilitation rückabgewickelt. Bis dahin vergeht aber eine enorme Zeit. Die Folgen können dann eventuell aus tatsächlichen Gründen nicht wieder rückgängig gemacht werden. Der Schaden ist eventuell nicht mehr wettzumachen. Daher empfehlen wir dringend folgende Sofortmaßnahmen:
Die Feststellung eines Grades der Behinderung von 30 bei Gleichstellung macht nämlich für eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses die Zustimmung des Versorgungsamtes gemäß § 175 SGB IX auch dann erforderlich, wenn das Arbeitsverhältnis automatisch bei Erwerbsminderung endet. In § 33 TVÖD sowie in vielen Arbeitsverträgen ist geregelt, dass ein Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats endet, in dem der Bescheid eines Rentenversicherungsträgers (Rentenbescheid) zugestellt wird, wonach der/die Beschäftigte voll oder teilweise erwerbsgemindert ist. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses tritt aber dann nicht ein, wenn der/die Beschäftigte auf seinem/ihrem bisherigen oder einem anderen geeigneten und freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden könnte und er/sie innerhalb von zwei Wochen nach Zugang des Rentenbescheids seine/ihre Weiterbeschäftigung schriftlich beantragt. Die Feststellung der Erwerbsminderung und damit die Rechtmäßigkeit der Aufforderung, einen Antrag auf Rehabilitation und Teilhabe zu stellen, ist dann rechtswidrig, wenn diese Aufforderung nur auf vorläufige Verdachtsdiagnosen, Entlassbriefe, Pflegegutachten oder ein Gutachten über eine Arbeitsunfähigkeit des medizinischen Dienstes gestützt wird. Dies kann im Wege einer Akteneinsicht festgestellt werden, die nur dem Anwalt möglich ist. Es muss also zwingend ein spezielles medizinisches Gutachten zur Frage der Erwerbsfähigkeit in diesem Zusammenhang erstellt werden. Anforderungen an das medizinische GutachtenDas Gutachten muss sowohl die notwendigen Feststellungen zum Sachverhalt, d. h. einen Bezug auf die erhobenen Befunde enthalten als auch die aus medizinischer Sicht daraus abzuleitenden Schlussfolgerungen für die Fähigkeit des Arbeitnehmers, seine abstrakt funktionelle Tätigkeit weiter auszuüben. Wie detailliert die Ausführungen sein müssen, hängt von der Funktion des Gutachtens ab, ob die rechtliche Entscheidung darüber ermöglicht wird, ob der Beschäftigte zur Erfüllung seiner Arbeitspflichten dauernd unfähig ist, und gegebenenfalls welche Folgen aus einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit zu ziehen sind. Zugleich muss das Gutachten dem Betroffenen ermöglichen, sich mit den Feststellungen und Schlussfolgerungen des Arztes und mit der darauf beruhenden Entscheidung des Arbeitgebers auseinanderzusetzen und sie gegebenenfalls substantiiert anzugreifen. Deshalb darf sich das Gutachten nicht auf die bloße Mitteilung einer Diagnose und eines Entscheidungsvorschlags beschränken, sondern muss die für die Meinungsbildung des Arztes wesentlichen Entscheidungsgrundlagen erkennen lassen. Das Gutachten muss darüber hinaus Angaben zum Restleistungsvermögen und eine anderweitige Einsetzbarkeit des Arbeitnehmers enthalten. Hierbei ist nicht nur auf die Verwendung am bisherigen Arbeitsplatz, sondern auf alle im Betrieb vorhandenen Arbeitsplätze Bezug zu nehmen. |